In Gedanken an eine Kämpferin

In Gedanken an eine Kämpferin

Und wiederum ist ein Jahr vergangen ohne dich. Jetzt sind es nämlich genau zwei Jahre, als mir die schreckliche Nachricht überbracht wurde. Ich weiss noch genau den Moment, als ich die Nachricht von deiner Schwester erhalten habe. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich nämlich in den Ferien, genauso wie du, nur wusste ich eben noch nicht, dass es deine letzten Ferien sein würden. 

Am 5. März 2015, ich weiss es noch genau, sass ich mit meinen Eltern und meinem Freund am Frühstückstisch in einem wunderschönen Hotel. Es war wirklich gemütlich, dennoch hatte ich ein flaues Gefühl im Magen, was ich aber einfach mal so ignorierte. Wie dem auch sei, eigentlich hatte ich gerade mit meinem Vater eine interessante Diskussion. Es ging um die Fahrprüfung, um irgendwas, was man auf der Strasse nicht darf, aber frag mich nicht mehr genau, was genau die Frage war. Auf jeden Fall waren wir uns so unschlüssig, dass ich mein Handy aus dem Hosensack zückte und die Frage googeln wollte. Eigentlich freue ich mich immer, wenn ich eine Nachricht auf dem Handy habe, und so habe ich sie natürlich auch gleich geöffnet, bevor ich noch dazu kam, die Frage, die soeben noch im Raum stand, zu recherchieren. Auf dem Nachrichtenabsender hiess es: Jana. Doch, du warst es nicht, denn der Schluss der Nachricht lautete: Jana’s Schwester, Linda. Man sah mir auf jeden Fall schnell an, wie sich mein Ausdruck in meinem Gesicht änderte, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich. Nicht in meinen schlimmsten Alpträumen hätte ich daran gedacht, diese Nachricht auch jemals in Empfang zu nehmen! Was stand drin? Nun, lass mich doch zuerst die Nachrichten erzählen, die vor ca. zwei Wochen noch mit Jana getauscht habe.

Sieht also so aus, als gäbe es noch Hoffnung! Und daran habe ich natürlich auch fest gedacht, denn was hätte ich sonst tun sollen? Wir haben schon lange eigentlich abgemacht, dass wir miteinander Mittagessen gehen, sobald sie wieder gesund ist. Demnach habe ich mich gefreut, dass ich sie spätestens im Sommer wiedersehen würde. Klar natürlich, dass wir den Kontakt zueinander nie unterbrochen haben, ich musste ihr doch stetig meine Neuigkeiten berichten.

Was ich dir heute berichten würde? Natürlich dass ich meine Haare geschnitten habe, dass ich von zu Hause ausgezogen bin und dass ich mit meinem Blog voll durchstarte, damit du doch auch etwas zu lesen hast zwischendurch. Und natürlich, dass das Ausbildungszentrum-Rau, in dem wir uns zufälligerweise kennengelernt haben, sich einen anderen Standort suchen muss, da es nicht sonderlich rentiert. Aber das weisst du bestimmt schon alles, richtig? 

Was stand jetzt nun in der Nachricht von Linda? Kurz und knapp: «Jana ist diese Nacht leider von uns gegangen, sie ist friedlich eingeschlafen und wir haben ihr ihren letzten Wunsch, mit der ganzen Familie in die Ferien zu gehen, natürlich noch erfüllen können. Wenn du jemanden brauchst, der dir zuhört, dann bin ich jeder Zeit für dich da.»

Horror! Diese Nachricht habe ich nicht erwartet und erklärt sicherlich auch, wieso mein Gesicht von der einten auf die andere Sekunde kreidebleich geworden ist. Was in dieser Nachricht stand, konnte ich nicht aussprechen. Ich legte mein Handy mit offener Nachricht auf den Tisch, schnappte mir den Zimmertürschlüssel und rannte nach oben. Weinend lag ich im Bett als mein Freund zu mir kam. Ich konnte es nicht fassen, wieso!? Sie hat mir doch versichert, dass es noch Hoffnung gäbe. Aber sie war auch eine Kämpferin, immer und immer wieder hat sie sich zurück ins Leben gekämpft – irgendwann ging es dann eben nicht mehr. An diesem Tag hat es gestürmt, ein richtig heftiger Schneesturm. Und ich ging mit meinen Eltern und meinen Freund in den Schnee nach draussen, um dem Sturm entgegen zu wirken. Wir sanken knietief im Schnee ein, kamen fast nicht vom Fleck – doch das musste sein! Ich wusste schon, wieso es so Stürmt, denn viele Leute hatten heute einen guten Freund und Zuhörer verloren. Doch ich wusste wohl auch wieso die Sonne auf dem Berg oben geschienen hat, denn der Himmel hat einen Engel wieder zurück, der zu lange leiden musste. Und so verging dieser Tag.

Lange ging es nicht, da stand natürlich schon die Beerdigung vor der Tür. Ich sprach mit keinem, hockte mich auf die hinterste Kirchenbank und hörte zu. Aufgefallen ist mir der pinke Blaser von Linda, die sie von ihrer Schwester bekommen hat – eine wunderschöne Geste meiner Meinung nach, diesen zu tragen. Traurig lief ich nach der Zeremonie als erste wieder aus der Kirche, und die aufmunternsten Worte, die ich an diesem Tag hörte, waren jene meines Freundes: «Natascha, Kopf hoch! Sie ist jetzt bei deinem Urgrossvater und er kann ihr all die Geschichten erzählen, die er dir immer erzählt hat. » Und so nahm ich Abschied von Jana, der tapferen Kämpferin gegen den Krebs!

Doch ich erinnere mich immer wieder an diesen Tag, an welchem ich die Nachricht bekam. Aber nicht nur an das, ich erinnere mich auch daran, wie wir unsere Schuhe im Unterricht getauscht haben und es lustig fanden. Wie wir zusammen gelacht haben beim Monopoly-Spiel und nebeneinander im Zelt an meinem Geburtstag eingeschlafen sind – ich erinnere mich an jeden einzelnen Moment! Und ich habe dich auch nach zwei langen Jahren nicht vergessen, zu gerne würde ich dir wieder einmal eine Nachricht schreiben und mit dir über lustige Dokumentationen am Fernseher lachen. 

Alles hat ein Ende, nur diese Geschichte nicht! Wieso? Sie geht weiter, schau nach oben, denn ich weiss genau, dass du in diesem Moment auch an mich denkst. Wie gefallen dir eigentlich die Geschichten meines Urgrossvaters so? 


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